Meine Geschichte – Teil 6

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Wie gründe ich ein Label?

“Wie gründe ich ein Label?” Das war die Frage. Zugegebenermaßen ist das heute etwas, das einfach gnadenlos gegoogelt werden würde. Vermutlich mit Erfolg. Denn irgendwas an verwertbaren Informationen wird die allwissende Suchmaschine ja ausspucken, oder etwa nicht? Mag sein, ich habe es persönlich nicht nochmal ausprobiert. Damals war wirklich so gut wie nichts zum Thema Labelgründung zu finden. Keine Literatur, keine relevanten Seiten im Internet, hier und da spuckte uns die Suchmaschine lediglich einen unförmigen Informationsbrocken aus.

Aus heutiger Sicht fast unglaubwürdig, aber versetz dich bitte kurz zurück in eine Zeit, in der das Internet noch nicht das war, was es heute ist. Die Musikbranche dagegen schien damals so undurchsichtig wie heute. Keine besonders informative Mischung. Unsere Herausforderung war definitiv informativer Art. Die wenigen Informationen die wir damals ergattern konnten lauteten:

  1. Man meldet eine Firma an
  2. Man braucht Startkapital (mindestens ca. 10.000 Euro für die erste Produktion)

Meine Gedanken waren:

zu Punkt 1: Ok, kann ich nicht. Aber die Hanna kriegt das hin.
zu Punkt 2: Haben wir nicht und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass wir so viel Geld brauchen werden.

Es war offensichtlich, dass ich Geld ausgeben müsste, um die Platte einer anderen Band zu veröffentlichen. Darüber machte ich mir zu dem Zeitpunkt jedoch nicht einmal ansatzweise Gedanken. Mir ging es aktuell ja lediglich darum, mein eigenes Album herauszubringen. Wie teuer konnte das denn schon sein? Ich konnte ja an mehreren Ecken sparen:
Zum einen erlaubten mir meine rudimentären Tontechnik-Kenntnisse meine Songs bei mir daheim aufzunehmen. Den Gedanken “ich mache es einfach selbst” kennt wohl jeder Künstler. Heute sehe ich das vollkommen anders, aber damals war es einfach zu verlockend der geläufigen Illusion zu erliegen: “Wenn du willst, dass etwas gut wird, mach es selbst!”
Außerdem ist es ja auch irgendwie romantisch. Ich und meine Musik. Wir zwei. Ganz alleine. Unbegrenzt viel Zeit für Experimente. Ich kann so lange am Sound schrauben, wie ich will. Ich höre erst auf, wenn es mir hundertprozentig gefällt. Im Studio müsste ich dafür ein Vermögen bezahlen und daheim gibt es das Ganze für umme!

Die Pressung war ein Kostenfaktor, der sich nicht wirklich umgehen ließ, aber auch das war kein Damoklesschwert, das gefährlich tief über meiner Existenz baumelte, sondern ein recht überschaubarer Posten. Wo früher ein Label noch tief in die Tasche greifen musste, um eine ordentliche Stückzahl an Tonträgern auf den Markt zu werfen, da reichten heute 500 bis 1000 Stück für den Anfang vollkommen aus. Dementsprechend kostet so eine Pressung auf den Tonträger gesehen unglaublich wenig. Man kann ganz grob in etwa mit 1,- Euro pro Tonträger rechnen. Wie kommt es dann, dass die CD im Laden für 15,- Euro oder gar noch mehr verkauft wird? Nun, wie wir später lernen durften: Der Preis entsteht eher durch die Erhaltungskosten der Strukturen eines Labels und durch die partizipierenden Partner (die “Zwischenhändler”). Wie sagt man so schön: Jeder will ein Stück von dem Kuchen abhaben.

Wir hatten noch keine wirklichen Strukturen, die man überhaupt hätte finanzieren können und somit war klar, dass wir mit jeder CD, die wir für 10 Euro verkaufen könnten, ca. 9 Euro Gewinn machen würden.  Unsere Rechnung war einfach: 1000,- Euro (Presswerk-)Kosten für meine CD –> die schwarze Null wäre dann bei 100 verkauften Einheiten erreicht. Das klang absolut machbar. 100 CDs zu verkaufen trauten wir uns zu. Somit standen zu dem Zeitpunkt alle Zeichen auf “Go!”.

Was fehlte noch? Achja, ein Artwok brauchten wir auch! Meine damalige Freundin Franzi war zufälligerweise Grafikerin und so bot es sich an, das Cover gemeinsam mit ihr zu entwickeln. Aus heutiger Sicht denke ich mir: Mannomann, die hat damals was mitgemacht mit mir. Immer irgendwelche fixen Ideen, eine verrückter als die andere… Aber sie hat mich immer und ohne Vorbehalt in allem unterstützt, was ich mir damals eingebildet habe. Allgemein haben Menschen wie sie durch ihre Unterstützung das Label überhaupt erst auf die Beine gebracht und langfristig überlebensfähig gemacht. Dafür bin ich noch heute unendlich dankbar. Wollte ich an dieser Stelle nur mal loswerden.

Ein weiterer Kostenpunkt waren die Räumlichkeiten: Firmen haben Büros. Wie ich bereits lernen durfte, gilt das nicht für Labels. Die können auch aus einem Wohnzimmer heraus betrieben werden. So konnten wir weitere hohe Ausgaben für Mietkosten umgehen. Vor allem, weil wir zu dieser Zeit praktisch sowieso fast 24/7 aus Hannas Wohnung heraus gearbeitet haben.

Um es kurz zu machen: Ich habe in relativ kurzer Zeit ca. 250 CDs im engsten Umfeld (an Freunde und Familie) verkauft und konnte damit alles refinanzieren, was ich damals vorgestreckt hatte. Wenn ich mich jetzt so daran erinnere, muss ich gestehen den meisten die CD wohl eher aufgeschwatzt zu haben. Viele meiner Freunde und Verwandten kannten meine Musik nämlich gar nicht und haben die CD somit offenbar nur aus einem Unterstützungs-Gedanken heraus gekauft. Nett. Danke an alle von damals!

Vereinfacht dargestellt war die Rechnung zu der ganzen Labelgründungs-Aktion folgende:
ca. 1000 Euro Ausgaben (die genauen Zahlen habe ich nicht mehr im Kopf; es sei mir verziehen.)
ca. 2500 Euro Einnahmen.
macht unterm Strich: 1500 Euro Gewinn.

Die GEMA-Gebühren für die Vervielfältigung der CD habe ich hier mal nicht berücksichtigt, da ich gleichzeitig Künstler und Label war. Das heißt, ich habe die GEMA-Gebühren als Label bezahlt und als Künstler bei der nächsten Ausschüttung wieder erhalten. Quasi ein durchlaufender Posten.

In den folgenden Wochen habe ich natürlich noch mehr CDs verkauft, Konzerte gespielt und über Merchandise Einnahmen gehabt. Wie ich jedoch überhaupt zu den ersten Konzerten gekommen bin (als vollkommen unbekannter lokaler Künstler) erzähle ich dir beim nächsten Mal. Denn da fängt gefühlt für mich die Geschichte des Labels überhaupt erst so richtig an.

>> Das erfährst du in Teil 7 

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