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Wie kam ich an meine ersten Konzerte? Gute Frage. Die Antwort kam recht spontan: Ich spiele einfach in Wohnzimmern auf Hut. Heute nichts Spektakuläres, aber damals war das in meinen Augen eine revolutionäre Problemlösung:
- Ich kannte niemanden, der Wohnzimmerkonzerte spielte, also war mir mit dieser Aktion eine gewisse Aufmerksamkeit sicher.
- An Wohnzimmerkonzerte würde ich vermutlich leichter rankommen, als an ausgewachsene Clubs.
(Als Solokünstler kannte mich ja zu dem Zeitpunkt niemand. Wer also würde mich buchen?)
Wieder gute Frage: Wer sollte mich denn jetzt eigentlich buchen, Wohnzimmer hin oder her?
Ich wusste damals schon, dass es praktischer wäre, wenn die Konzertanfragen irgendwie zu mir kommen würden. Die zündende Idee hatten wir dann mit Hannas Bruder, der kurzerhand eine Homepage für uns bastelte (!!!), auf der er ein simples Anmeldeformular platzierte. Dieses kleine Formular machte jeden, der die Seite anklicken würde, zu meinem potentiellen Booker.
Wie? Man konnte ein Datum eintragen, eine Uhrzeit, Adresse und das Klingelschild. Was wäre unsere Welt ohne diese verrückten Computergenies. Du denkst jetzt vielleicht: -???- Homepage basteln? Ist doch easy, da ist doch nichts dabei, kann jeder. Da geh ich einfach auf www.homepage-bastel-dich-von-allein.de und in 3 Minuten steht das Teil. Aber weit gefehlt: Um unsere damalige Lage zu verstehen, müssen wir uns an dieser Stelle wieder mal in unseren gedanklichen Delorean setzen. Damals gab es kein “drag & drop und fertig ist die Seite”. Man musste das Teil mit irgendwelchen Programmiersprachen hochziehen und… Naja, so richtig Ahnung davon hab ich ja nicht unbedingt, also versuche ich gar nicht erst zu fachsimpeln. Einigen wir uns darauf, dass Hannas Bruder ein Genie ist. Gut.
Die Geschichte mit den Wohnzimmerkonzerten und unserem Homepage-Formular sprach sich ziemlich schnell herum. So wurde aus der geplanten Aktion “Hey, lass uns mal ein paar Konzerte spielen” eine kleine Odyssee von ca. 2 Monaten. Dank unseres überschaubaren Equipments konnten wir wirklich überall spielen – und taten das auch: Geburtstage, Hochzeiten; wir spielten sogar in anderen Städten. Ich glaube die weiteste Strecke, die wir damals zurücklegten, war München-Heidelberg-München. Alles war möglich, denn das komplette Equipment plus Band passte locker in Hannas PKW.
Eskalation
Mal saßen die Zuschauer einfach mit einem Bier auf der Couch und hörten uns aufmerksam zu, mal wurden die gediegenen Abende aber auch durch ein paar Tanzwütige zu turbulenten Partys. Diese eskalierten teilweise von einem auf den anderen Moment plötzlich so, dass sogar die Polizei kommen musste. Wenn ich mich richtig erinnere, war die Polizei insgesamt zwei Mal da. Bei einem Gig ließen uns die beiden jungen Beamten einfach weitermachen und lauschten unserer Musik, bis wir mit unserem Set fertig waren. Wirklich schöne Erfahrungen, die wir da machen durften.
An eben jenem Abend wurde das Label geboren. Naja, geboren/gegründet war es ja schon. Somit könnte man sagen, dass an jenem Abend die Nabelschnur durchtrennt wurde. Metaphorisch gesehen natürlich. Soooo sehr sind die Abende dann doch nicht eskaliert.
Vor lauter Metaphern verliere ich schon wieder den roten Faden. Worauf ich hinaus will, ist: idealerweise ist man natürlich nicht zugleich Gründer des Labels und bei selbigem der einzige Künstler unter Vertrag. Aber darüber machte ich mir keine Gedanken, bis jemand unter den Zuschauern während unseres Auftritts rief: “Hey Amadeus, gib mal kurz dem Zlatko die Gitarre, der spielt total schön und schreibt eigene Songs!” Ich dachte mir: Was? Zlatko von der ersten Big Brother-Staffel ist da? Aber nein, es war ein sehr viel jüngerer, kleinerer Zlatko. Wieder was gelernt. Es gibt nicht nur einen musizierenden Zlatko auf der Welt.
So bekam also Zlatko meine Gitarre und – sofern ich mich richtig erinnere – der Passi (offenbar Zlatkos zweiter Gitarrist) die Gitarre meines Bandkollegen, und so spielten sie drauf los. Es war der Wahnsinn. Ich war auf alles vorbereitet, nur nicht auf das, was dann kam. Wunderschöne Melodien gepaart mit gefühlvollen Gitarrenvoicings und ein Songwriting, bei dem man nun wirklich nicht an so junge Burschen denkt. Ich war begeistert und hätte den beiden stundenlang lauschen können. Auf meine Frage hin, ob die beiden auch eine Band hätten, kam prompt die Einladung zu ihrer Bandprobe. Ich kürze ein bisschen ab: wir nahmen trotz des schlechten Humors von Janis (Schlagzeuger) die Band “Lucky Fish” unter Vertrag und gaben damit nicht nur unserem Label einen echten Sinn, sondern gewannen zudem auch noch Freunde fürs Leben.
>> Wie das Ganze beim ersten Signing ablief, erfährst du in Teil 8.