„Ich habe auch ein Wohnzimmer.“
Wobei – noch nicht mal das wirklich. Da ich zu der Zeit noch offiziell bei meinen Eltern gelebt habe, war es eher ihr Wohnzimmer. Ich hielt mich damals eher im Nachtleben als tatsächlich im besagten Wohnzimmer auf. Fünf Tage die Woche “feiern” mit allem drum und dran. Daheim aufzutauchen erschien mir eher zweitrangig. Aber um den roten Faden wieder aufzugreifen: ich hatte (mehr oder weniger) auch ein Wohnzimmer – und das war die Voraussetzung Nummer 1 für meine glorreiche Idee einer Labelgründung. Denn wie ich ja in zahlreichen Unterhaltungen mit selbsternannten “Label-Bossen” erfahren hatte, brauchte es eigentlich auch nicht viel mehr als das.
Ergo: Ich war jung (Voraussetzung für jugendlichen Wahnsinn). Ich war auch ein Mann (Voraussetzung für einen ein-Mann-Betrieb). Ich hatte ein Wohnzimmer (offenbar Voraussetzung um CDs zu lagern). Was sollte meinem Plan noch im Wege stehen?
Die meisten Bands in der heutigen Zeit, haben erstaunlicherweise noch immer eine ähnliche Vorstellung von Plattenlabels wie ich damals, vor meiner Labelgründung: Riesig müssen sie sein. Erfolgreich. Mit komplexen Strukturen, geräumigen Büros, hunderten von Mitarbeitern und was die Künstler angeht, nur die Crème de la Crème unter Vertrag.
Das ist aber die Vorstellung eines idealisierten Major-Labels.
Aber die müssen doch auch irgendwo mal angefangen haben. Ich bezweifle zwar, dass sie aus dem Wohnzimmer heraus gegründet wurden, aber wer weiß das schon so genau. Auch ein Gigant wie Apple, ließ sich von Steve Jobs aus der Garage heraus gründen.
Aber mal zu den Fakten meiner “Gründerzeit”: Die goldenen Zeiten der Musikindustrie waren definitiv vorbei. Eines der vier großen Major-Labels wurde bereits von einem anderen geschluckt. Die verbleibenden drei mussten durch die starke Veränderung in der Musiklandschaft aus bekannten Gründen immer knapper kalkulieren. Glücklicherweise wusste ich von all dem nichts, sonst wäre mir vielleicht sogar noch der Gedanke gekommen, dass eine Labelgründung in diesen Zeiten vielleicht doch zwangsläufig nicht die allerbeste Idee ist.
Die scheinbar utopische Vision meines eigenen Labels stand schon fertig geformt, klar, verlockend vor meinen Augen. Sie war so simple wie genial: Ich möchte Spaß haben und glücklich sein. Ja, richtig gelesen. Mehr war es nicht. Mein Motto war: immer genau das zu tun, was sich gerade am besten anfühlt. Der Rest passiert dann wie von selbst. Das mag etwas naiv klingen, hat sich aber als die größte Weisheit in meinem Leben herausgestellt.
Doch man kann noch so edle Ziele und große Visionen haben – ohne Eigeninitiative bleiben es Ziele und Visionen. Was ich an diesem Punkt brauchte, waren Leidenschaft für Musik (die hatte ich), Entschlossenheit (check), ein klarer Plan (nope) und Menschen, die mich dabei unterstützten (ähh…). So wandte ich mich an meine damalige beste Schulfreundin (Hanna), die sich bereits um das Tourmanagement und das Organisatorische meiner damaligen Band Five! Fast!! Hits!!! (auch bekannt als “Flöhe hüten auf Tour”) kümmerte. Sie behielt auf magische Art und Weise den Überblick über diese chaotische Band.
Als ich einmal – wie so oft – bei ihr auf der Couch saß, Gitarre in der Hand, neue Melodien schreibend, kam mir die Idee: “Hey ich gründe mein eigenes Label!” Dass ich das nicht nur dachte, sondern laut ausgesprochen hatte, merkte ich nur an dem “Ok!” von Hanna.
So machte Hanna – als letzte Variable – die Gleichung vollständig: Hier war ein Mensch, der mich unterstützte. Und wie sie mich unterstützte. Man kann sagen, dass sie die Hebamme bei der Geburt meines Labels war. Sie kümmerte sich um den ganzen Papierkram, ohne dass uns dazu irgendwo genaue Checklisten oder Anleitungen zur Verfügung standen. Mit der schriftlichen Anmeldung des Labels war der Grundstein gelegt. Von richtiger Label-Arbeit hatten wir beide keine Ahnung. Aber wie schon gesagt: Learning by doing. Das wird schon.
Zusammenfassend lässt sich sagen, wir haben das Label mit null Ahnung und noch weniger Geld gestartet. Apropos Geld: Wo kriegen wir das eigentlich her?
>> Das erfährst du im Teil 6.